Ansprache 1. Vorsitzender SRK 1920 Albert Winkler zur Heimatdenkmaleinweihung am 5.9.2004
Sehr geehrter Herr Pfarrer Jean de Dieu, sehr geehrter Herr Bürgermeister Mederer,
sehr verehrte Ehrengäste und Abordnungen der Vereine, sehr geehrte Pfarrgemeinde!
Für alle Vertriebenen, die in Schwabhausen ihre neue Heimat gefunden haben,
für alle Bürgerinnen und Bürger unserer Gemeinde, für die Pfarrei St. Michael,
wie auch für die SRK Schwabhausen 1920, ist heute ein besonderer Tag,
auf den wir auch zu Recht ein bißchen stolz sein dürfen.
Denn wir haben jetzt etwas, was andere Gemeinden und Pfarreien aus vielerlei Gründen nicht haben.
Wir haben jetzt in Schwabhausen ein Heimatdenkmal, das als würdige Vertriebenengedenkstätte an ein ganz schreckliches Kapitel in unserer deutschen Geschichte erinnert.
Wer heute bei den 5 Fürbitten genau hingehört hat, konnte darin alles erfahren und erfühlen,
was mit dem Schicksal Flucht und Vertreibung verbunden ist.
„Heimatrecht ist Menschenrecht. Vertreibung ist Unrecht.“ Daran gibt es keinen Zweifel
und deshalb ist dieser Text auf der fundamentalen Steinplatte, worauf die beiden Gedenktafeln stehen.
Neben der linken Tafel mit der Bitte um ein Gebet für die Opfer der Vertreibung,
der Gefallenen und Vermißten und die Toten, die in der früheren Heimat bestattet sind,
werden auf der rechten Tafel die Vertreibungsgebiete aufgezeigt und mit Zahlen das Vertreibungsverbrechen dokumentiert.
„Vertreibungsverbrechen und Völkermord kennen kein Vergessen!“
Dieser Text steht auf der Verbindungstafel zwischen Weihwasser und Grablaterne im Vordergrund.
Das beinhaltet den Völkermord am Deutschen Volk und auch den Völkermord, der vom deutschen Regime des Nationalsozialismus begangen worden ist. Diese Verbindung ist uns ganz wichtig!
Gerade um das Vergessen und Erinnern geht es bei unserem Heimatdenkmal.
Alt-Bundespräsident Prof. Dr. Roman Herzog erklärte 1996 aus Anlass zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus:
„Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt.
Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“
Ich glaube, diese Erklärung würde ebenfalls sehr gut zum Thema Flucht und Vertreibung passen.
Denn auch das Schicksal und die Opfer der Flucht und Vertreibung waren ja nur den Folgen des Nationalsozialismus zu verdanken.
Dr. Heinz Nawratil, 1937 in Zauchtel / Mähren geboren, wurde 1945 mit seiner Familie vertrieben. Er ist heute in Friedberg Notar und Rechtsanwalt, Publizist für Bücher des Rechtes, er hat das Schwarzbuch über die Vertreibung geschrieben.
Hören Sie bitte genau hin, was er zu dem Thema Flucht und Vertreibung zu sagen hat:
„Vertreibung bedeutet nicht nur Aussiedlung, sondern auch Mord, Terror, Vergewaltigung und Folter, Deportation und Internierung. Insgesamt kamen bei der Vertreibung fast drei Millionen Deutsche um. Eine Zahl, die alleine das Wort Völkermord schon rechtfertigt. Im Reich war in Ostpreußen der Terror der Roten Armee wohl am schlimmsten. Wer nicht flüchtete, wurde mit einer Wahrscheinlichkeit von gut fünfzig Prozent ermordet. In Königsberg war es besonders schlimm, dort fand die Rote Armee bei der Eroberung der Stadt noch etwa 110.000 Deutsche vor, ein Jahr später lebten davon noch ungefähr 10.000. In Ostbrandenburg, heute Polen, betrug die Sterberate immerhin noch 35 Prozent. Flucht war also dringend geboten. Aber selbst dabei kamen Hunderttausende um. Bombardiert, torpediert, zusammengeschossen, von Panzern überrollt und zerquetscht - allein 50.000 Menschen brachen bei der Flucht über die Kurische Nehrung durch das Eis des Frischen Haffs und ertranken im Eiswasser.
Wer blieb und überlebte, wurde anschließend vertrieben, wenn er nicht das Pech hatte, interniert oder deportiert zu werden. Auch dabei kamen Zigtausende um. Die Vertreibung war schon völkerrechtswidrig und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, aber den damit verbundenen Völkermord vergessen wir nur allzu leicht, wenn wir von ihr sprechen.“
Zitat Otto Schily / Roman Herzog:
Ich wiederhole ausdrücklich, was Altbundespräsident Roman Herzog hierzu vor einiger Zeit gesagt hat: „ Kein Unrecht und mag es noch so groß gewesen sein, rechtfertigt anderes Unrecht.
Verbrechen sind auch dann Verbrechen, wenn ihm andere Verbrechen vorausgegangen sind."
Kultusministerin Baden-Württemberg Frau Dr. Annette Schavan sagte:
„Flucht und Vertreibung gehören zu den besonders bedrückenden Kapiteln der Geschichte des 20. Jahrhunderts in Europa. Das Wissen um die Ursachen, die Zusammenhänge, die Ausprägungen und die Folgen dieser Ereignisse gehört zum unverzichtbaren Kernbereich historischer Bildung. ...
Die gründliche Behandlung dieser Thematik lehrt auch, dass Unrecht nicht in Rache
oder Revanchedenken münden muss. Das Gelingen der Integration der Heimatvertriebenen und der Verzicht auf Revanche, der in der Charta vom 5.8.1950 eindrucksvoll dokumentiert ist, zählen zu den besten Kapiteln der Bundesrepublik Deutschland.“
Hören wir, wie der letzte und der jetzige Bundeskanzler mit der Vergangenheitsbewältigung umgehen: (Helmut Kohl, in der Regierungserklärung vom 1.6.1995 „Zum Beitrag der deutschen Heimatvertriebenen zum Wiederaufbau in Deutschland und zum Frieden in Europa).
„Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht verwalten.“
Kanzler Schröder sagte in PRAG, im September 2003:
„Man dürfe die Vergangenheit nicht verdrängen und sollte aus ihr lernen“,
„Die Vergangenheit dürfe aber die Zukunft nicht verbauen“, fügte er hinzu.
Dazu passt, was der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt Dr. Reinhard Höppner gesagt hat:
"Die Chance auf Frieden und ein friedliches Zusammenleben der Völker in Europa ist so groß wie noch nie in der Geschichte. Wir sollten diese Chance nutzen. Dazu gehört, daß wir Realitäten erkennen und anerkennen. Die ehemaligen deutschen Staatsgebiete im Osten sind heute Teil anderer europäischer Staaten und sie sollen und werden dies auch bleiben. Für die Menschen, die sich dort nach 1945 oft nicht freiwillig angesiedelt haben, sind diese Gebiete jetzt Heimat geworden. Und so soll dies bleiben.
Je weiter wir mit der europäischen Einheit vorankommen, desto mehr verlieren auch die Grenzen zwischen den Staaten ihre Bedeutung", erklärte Höppner.
Wir, die SRK Schwabhausen 1920, wollen uns den heutigen Tatsachen ebenfalls nicht verschließen und bekennen uns zu den jetzigen politischen Grenzen und Verhältnissen in Europa ohne Wenn und Aber.
Von uns werden nie irgendwelche Parolen und Forderungen um Rückgabe der Gebiete oder Schadensersatzleistungen ausgehen oder geäußert werden. Wir können und wollen nichts rückgängig machen. Wir wollen jedoch dazu beitragen, dass dieser dunkle Fleck in unserer Geschichte nicht verschwiegen und vergessen wird. Das sind wir der Erlebnisgeneration, die immer kleiner und weniger wird, aber ganz besonders den jüngeren und den kommenden Generationen schuldig.
Und deshalb gibt es jetzt das Heimatdenkmal in Schwabhausen, dessen Errichtung in den letzten
2 Jahren begonnen wurde und das wir heute, da es jetzt fertiggestellt ist, feierlich einweihen können und dürfen. Dank einiger namhaften Spenden von den Dachauer Nachrichten, von Sepp Haas, dem Erbauer der Stalingradkapelle aus Paraguay und der finanziellen Beteiligung des Ortsverbandes Schwabhausen Sudetendeutsche Landsmannschaft, wie auch noch etlichen Spenden aus der Schwabhausener Bevölkerung und dem erheblichen finanziellen Beitrag der SRK, konnte dieses schöne und sinnvolle Projekt verwirklicht werden. Wer sich daran noch beteiligen möchte, hat gerne dazu Gelegenheit. Für die bisher eingegangenen Spenden bedanken wir uns bei den Spenderinnen und Spendern sehr herzlich.
Großer Dank gebührt dem Steinmetz Hans-Dieter Blimmel und seinen Mitarbeitern, der mit seiner hervorragenden Arbeit unsere mehrmals abgesicherten Entwürfe und Vorstellungen sehr schön handwerklich umgesetzt hat. Auch hat er durch seine Preiskalkulation großen Anteil an dem Entstehen dieser einmaligen Vertriebenengedenkstätte in Schwabhausen. Einmalig deshalb, weil es sie in der Form in unserem Landkreis und woanders nicht gibt. Ich glaube, dass es so etwas Vergleichbares in ganz Bayern kaum oder nicht oft gibt. Zugleich wird dadurch der Eingangsbereich unserer Pfarrkirche verschönert. Ein besonderer Dank auch an Herrn Pfarrer Jean de Dieu mit seinen Ministranten und dem Kirchendienst, und natürlich an die Musiker von der Blaskapelle Schwabhausen, unter der Leitung von Johannes Roth, die uns heute den Gottesdienst feierlich gestaltet haben. Ein herzlicher Dank an die Fahnenabordnungen vom Schützenverein Frei Glück, SRK und der Freiwilligen Feuerwehr Schwabhausen. Der Feuerwehr danke ich ganz besonders für die Absicherung der Straßen, wenn wir hernach „Zur Post“ marschieren. Ein weiterer Dank ergeht auch an die fleißigen Männer und Frauen,
die in den letzten Jahrzehnten das „Flüchtlingsgrab“ betreut haben und an diejenigen, die nun das schöne „Heimatdenkmal“ bepflanzen und umsorgen. Ihre Namen nenne ich jetzt nicht, weil einige das nicht möchten. Sie und wir alle wissen aber, wer dabei gemeint ist. Ihnen allen danke ich im Namen der SRK für Ihr heutiges Kommen. Freuen wir uns über diesen heutigen, besonderen Anlass und feiern wir dies anschließend gemeinsam mit Blasmusik unter den Kastanien im Gasthof „Zur Post“.
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